Wie wirksam ist Psychotherapie per Video? Entdecken Sie die Erkenntnisse aus 12 fundierten Studien!
Ein Beitrag von M. Sc. Psych. Jana Schneider
Wirksamkeit und Zugänglichkeit bilden die Eckpfeiler der modernen Psychotherapie, und die Therapie per Video steht dabei im Rampenlicht dieser Entwicklung. Trotz steigender Akzeptanz von Videotherapien herrschen immer noch Vorbehalte darüber, wie wirksam Psychotherapie per Video tatsächlich ist. Wir haben 12 Studien durchgelesen und die Ergebnisse in diesem Blogartikel für Sie zusammengefasst.
Von der Verbesserung komplexer PTBS-Symptome bis hin zur Bearbeitung von Depressionen und Angstzuständen – entdecken Sie, wie Therapie per Video eine wertvolle Ergänzung in der Psychotherapie und eine potenziell transformative Methode in der Welt der psychischen Gesundheit darstellt. Begleiten Sie uns auf einer aufschlussreichen Reise in die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Wirksamkeit von Videotherapie – lesen und erfahren Sie, wie digitale Sitzungen die Landschaft der psychischen Gesundheit neu gestalten und ergänzen können.
Psychotherapie per Video: Wertvolle und sichere Ergänzung
Psychotherapie per Video (V-PT) erweist sich als wertvolle Option sowohl für Menschen mit Wohnort in ländlichen Gebieten als auch für Stadtbewohner:innen. Diese digitale Therapieform ermöglicht es Patient:innen und Therapeut:innen, sich trotz weiter Entfernung über das Internet zu verbinden.
Die Videotherapie nahm im Laufe der Zeit durch uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten auf Plattformen wie Skype, Zoom, CoViu, VSee, FaceTime und WhatsApp rasant Fahrt auf. Heute gibt es jedoch klare Regelungen, um Privatsphäre und sensible Daten von Patient:innen zu schützen. Um diese komplexen Anforderungen an Datenschutz und DSGVO-Konformität leisten zu können, haben sich einige Videodienstanbieter auf den psychotherapeutischen Bereich spezialisiert. Über diese Plattformen können Patient:innen und Therapeut:innen in Echtzeit sicher miteinander kommunizieren und Texte sowie Bilder austauschen. Die Privatsphäre wird dabei durch Verschlüsselung geschützt. Datenschutz in der Psychotherapie ist mittlerweile also ein streng reglementierter Bereich, der jedoch mit Hilfe eines zertifizierten Videodienstanbieters einfach und ganzheitlich erfüllt werden kann. (Alles zum Thema DSGVO-konforme Videosprechstunde können Sie übrigens auch in unserem Blogbeitrag Sicher und gesetzeskonform: Der umfassende Leitfaden zur DSGVO in der Videosprechstunde nachlesen.) Aber wie steht es eigentlich um die tatsächliche Wirksamkeit der Psychotherapie per Video?
Psychotherapie per Video vs. Psychotherapie in Präsenz: Die Herausforderung des Vergleiches
Systematische Überprüfungen der veröffentlichten Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass V-PT von vielfältigen Klient:innen- und Patient:innengruppen akzeptiert und von vielen Therapeut:innen positiv aufgenommen wird. Diese Form der Therapie hat sich als praktikabel erwiesen und bietet eine breite Palette an Möglichkeiten für die moderne Psychotherapie.
Eine der wichtigsten Fragen, die sich in Bezug auf V-PT stellt, betrifft die Wirksamkeit im Vergleich zur herkömmlichen Psychotherapie in Präsenz (P-PT). Schon vor über 20 Jahren Anfang des 21. Jahrhunderts wurde die Wirksamkeit von V-PT untersucht. Mit der pandemischen Notlage ab Ende 2019 gewann das Format jedoch an Popularität. Es wurden somit schon früh Studien durchgeführt, in denen abhängige Messungen vor und nach V-PT erhoben wurden, aber auch Studien, in denen die V-PT mit einer Kontrollgruppe verglichen wurde, die klassisch P-PT erhielten.
12 Wirksamkeitsstudien zu Psychotherapie per Video
Bereits 2016 wurden 12 publizierte Studien qualitativ hinsichtlich der Wirksamkeit von V-PT gegenüber P-PT überprüft (de Bitencourt Machado et al. 2016). Diese Studien, die in den Vereinigten Staaten und Kanada bereits vor COVID-19 durchgeführt wurden, sind in vielerlei Hinsicht faszinierend. Die Forscher:innen gewannen aufschlussreiche Erkenntnisse über die Wirksamkeit der V-PT. Sowohl in den geschäftigen Städten als auch in den abgelegenen, ländlicheren Orten zeigte die V-PT Ergebnisse, die den herkömmlichen Sitzungen in Präsenz ebenbürtig waren. Die Studien befassten sich mit einer Reihe von psychischen Gesundheitszuständen, aber eine stach besonders hervor: die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
PTBS-Therapie neu definiert: Wie Video-Psychotherapie Distanzen überbrückt und Heilung bringt
PTBS ist ein sehr komplexes, mitunter schwer zu diagnostizierendes und in der Behandlung anspruchsvolles Störungsbild. Sechs der Studien konzentrierten sich auf Menschen, die mit PTBS zu kämpfen hatten (Germain et al. 2009, Germain et al. 2010; Hassija and Gray 2009; Marchand et al. 2011; Morland et al. 2010; Strachan et al. 2012;). Die Symptome reduzierten sich signifikant und die Patient:innen erlebten Ergebnisse auf Augenhöhe mit Patient:innen, die persönliche Sitzungen besuchten. Das ist eine bahnbrechende Erkenntnis. Sie bedeutet nämlich, dass Menschen, die mit PTBS kämpfen unabhängig von ihrem Standort die dringend benötigte Versorgung über die Videotherapie erhalten können. Die Bedeutung dieser Entdeckung für Veteranen, Traumaüberlebende und Menschen in abgelegenen Gebieten kann nicht genug betont werden. Doch die Reichweite der V-PT ging auch damals weit über PTBS hinaus.
Wirksamkeit der Video-Psychotherapie bei der Behandlung von Depressionen und Essstörungen
Für Menschen, die unter Depressionen leiden und an die Grenzen ihres Zuhauses gebunden sind, bietet diese Therapieform einen Weg zur Heilung (Choi et al. 2013). Eine Studie ergab, dass soziale Ressourcen ein Schlüsselfaktor für die Verbesserung von depressiven Symptomen sind. Digitale Kommunikationswege stellen in diesem Zusammenhang einen Hoffnungsschimmer dar. Darüber hinaus zeigte die V-PT, wenn es um Bulimia nervosa ging, in mehreren Studien eine ähnliche Wirkung wie die traditionelle Therapie in Präsenz (Crow et al. 2009; Marrone et al. 2009; Mitchell et al. 2008). Das zeigt nicht nur die Anpassungsfähigkeit der Video-Psychotherapie bei verschiedenen Erkrankungen, sondern auch ihre Wirtschaftlichkeit. Auch zur Behandlung von Agoraphobie und sozialen Phobien erwies sich die V-PT als wirksame Methode zur Behandlung (Yuen et al. 2013b; Bouchard et al. 2004).
Die Transformation der Psychotherapie: Videobasierte Behandlungsmethoden im Aufschwung seit COVID-19
Besonders seit dem Ausbruch von COVID-19 hat die Videopsychotherapie enorm an Bedeutung gewonnen. Die Pandemie zwang viele Psychotherapeut:innen, herkömmliche Behandlungsmodelle zu überdenken und nach alternativen Behandlungsmethoden zu suchen, um ihre Patient:innen trotz der angespannten Pandemie-Situation weiterhin unterstützen zu können. Die Videosprechstunde stellte eine adäquate und effiziente Lösung dar. Der Aufschwung der Videopsychotherapie führte dazu, dass auch die Wirksamkeitsforschung noch stärker in den Vordergrund rückte.
Fernandez et al. (2021) trugen dazu bei, unser Verständnis von V-PT zu vertiefen. In ihrer groß angelegten Metaanalyse untersuchten sie nicht nur die Veränderungen vor und nach der Videotherapie, sondern analysierten auch die Unterschiede in den Ergebnissen zwischen V-PT und P-PT sowie anderen Vergleichsgruppen. Dabei wurden beeindruckende 56 Studien mit insgesamt 1.681 Teilnehmenden in der V-PT und 47 Studien mit 3.564 Teilnehmenden im Vergleich zur P-PT berücksichtigt. Das Ergebnis dieser Metaanalyse war beeindruckend – der Effekt vor und nach der Videotherapie war erheblich und hoch signifikant, mit einem Wert von g = +0,99 (95%-KI [0,67–0,31]). Die Videotherapie schnitt nicht nur signifikant besser ab als Wartelistenkontrollgruppen (g = 0,77). Sie führte bei Angststörungen, Depressionen und PTBS zu beeindruckenden Effektgrößen von nahezu 1,00. Durch die Aufschlüsselung der Studien nach Therapietyp ergab sich eine Effektgröße von 1,34 für kognitive Verhaltenstherapie (CBT) und 0,66 für Nicht-CBT. Selbst nach Berücksichtigung möglicher Veröffentlichungsverzerrungen bleibt die Gesamteffektgröße der Videotherapie innerhalb der Gruppen bei g = 0,54.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es erhebliche und signifikante Verbesserungen von vor bis nach der V-PT gibt. Die Stärke der Videotherapie zeigt sich besonders bei der Verwendung von CBT und bei der Behandlung affektiver Störungen wie Angst, Depression oder PTBS. Die Psychotherapie per Video wird nicht nur immer beliebter und bequemer, sondern wird nun auch durch metaanalytische Beweise gestützt.
Die Kraft der Video-Psychotherapie
Die umfassenden Studien, die wir betrachtet haben, liefern überzeugende Hinweise dafür, dass Psychotherapie per Video weit mehr ist als nur eine Notlösung – sie ist ein Katalysator in der Entwicklung der psychischen Gesundheitsversorgung! Sowohl Patient:innen als auch Psychotherapeut:innen profitieren von der Flexibilität, die eine therapeutische Versorgung unabhängig von Standort, körperlicher Verfassung, finanziellen Einschränkungen und weiteren herausfordernden Umständen bietet. Dies macht die Psychotherapie per Video zu einem echten Gamechanger!
Psychotherapeut:innen sind nun in der Lage, diese fortschrittliche Methode zu nutzen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen, um eine hochwertige Versorgung für ihre Patient:innen zu gewährleisten. Die Entwicklung der digitalen Psychotherapie schreitet immer weiter voran. Sie bietet uns die Möglichkeit, traditionelle Grenzen zu überwinden und die psychische Gesundheitsversorgung in eine neue Ära zu führen.
Die Zukunft ist jetzt.
Wir hoffen, dass Ihnen dieser Artikel gefallen hat und Sie wertvolle Einblicke gewonnen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben und mehr über die neuesten Trends und Erkenntnisse in der Psychotherapie erfahren möchten, abonnieren Sie bitte unseren Newsletter. Einfach das Formular unten ausfüllen und Sie sind dabei!
Folgen Sie uns auch auf unseren Social-Media-Kanälen, um regelmäßige Updates und exklusive Inhalte zu erhalten.
Sie finden uns auf:
Wir freuen uns darauf, Sie in unserer Online-Community begrüßen zu dürfen und gemeinsam die Zukunft der Psychotherapie zu gestalten. Bei Fragen oder Anregungen zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren.
Besuchen Sie auch gerne unsere Workshops, in denen wir gerne auf Ihre individuellen Anfragen eingehen werden.
Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!
Quellen
Bouchard, S., Paquin, B., Payeur, R., Allard, M., Rivard, V., Fournier, T., Renaud, P. & Lapierre, J. (2004) Delivering cognitive-behavior therapy for panic disorder with agoraphobia in videoconference. Telemedicine Journal and E-health 10: 13–25. https://doi.org/10.1089/153056204773644535
Choi, N.G., Marti, C.N., Bruce, M.L. & Hegel, M.T. (2013) Depression in homebound older adults: Problem-solving therapy and personal and social resourcefulness. Behaviour Therapy 44: 489–500. https://doi.org/10.1016/j.beth.2013.04.002
Crow, S.J., Mitchell, J.E., Crosby, R.D., Swanson, S.A., Wonderlich, S. & Lancanster, K. (2009) The cost effectiveness of cognitive behavioral therapy for bulimia nervosa delivered via telemedicine versus face-to-face. Behaviour Research and Therapy 47: 451–3. https://doi.org/10.1016/j.brat.2009.02.006
de Bitencourt Machado, D., Braga Laskoski, P., Trelles Severo, C., Margareth Bassols, A., Sfoggia, A., Kowacs, C., … & Laks Eizirik, C. (2016). A psychodynamic perspective on a systematic review of online psychotherapy for adults. British Journal of Psychotherapy, 32(1), 79-108. https://doi.org/10.1111/bjp.12204
Fernandez, E., Woldgabreal, Y., Day, A., Pham, T., Gleich, B., & Aboujaoude, E. (2021). Live psychotherapy by video versus in‐person: A meta‐analysis of efficacy and its relationship to types and targets of treatment. Clinical Psychology & Psychotherapy, 28(6), 1535-1549. https://doi.org/10.1002/cpp.2594
Germain, V., Marchand, A., Bouchard, S., Drouin, M.S. & Guay, S. (2009) Effectiveness of cognitive behavioural therapy administered by videoconference for posttraumatic stress disorder. Cognitive Behaviour Therapy 38: 42–53.https://doi.org/10.1080/16506070802473494
Germain, V., Marchand, A., Bouchard, S., Guay, S. & Drouin, M.-S. (2010) Assessment of the therapeutic alliance in face-to-face or videoconference treatment for posttraumatic stress disorder. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking 13: 29–35. https://doi.org/10.1089/cyber.2009.0139
Hassija, C.M. & Gray, M.J. (2009) Telehealth-based exposure therapy for motor vehicle accident-related posttraumatic stress disorder. Clinical Case Studies 8: 84–94.
Marchand, A., Beaulieu-Prevost, D., Guay, S., Bouchard, S., Drouin, M.S. & Germain, V. (2011) Relative efficacy of cognitive-behavioral therapy administered by videoconference for posttraumatic stress disorder: A six-month follow-up. Journal of Aggression, Maltreatment & Trauma 20: 304–21. https://doi.org/10.1080/10926771.2011.562479
Morland, L.A., Greene, C.J., Rosen, C.S., Foy, D., Reilly, P., Shore, J., He, Q. & Frueh, B.C. (2010) Telemedicine for anger management therapy in a rural population of combat veterans with posttraumatic stress disorder: A randomized noninferiority trial. Journal of Clinical Psychiatry 71: 855–63.
Seit 2021 unterstütze ich Consularia als fachlich-psychologische Leiterin. Um den gleichen Dreh herum startete ich an der MEU – Studienzentrum der DIPLOMA Hochschule als wissenschaftliche Mitarbeiterin und als Dozentin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie. Aktuell forsche ich an videobasierter Gruppenpsychotherapie zur Behandlung von Depression.